Eine gespaltene Gesellschaft – Von der Suche nach der Wahrheit

Jede Meinung hat einen Anspruch, entweder mit Schweigen aufgenommen oder wirksam widerlegt zu werden; niemand ist berechtigt, durch Geringschätzung Andersdenkende herabzuwürdigen.“

Franz von Holtzendorff

„Leider sind es öfter die Meinungen über die Dinge als die Dinge selbst, wodurch die Menschen getrennt werden.“

Johann Wolfgang von Goethe

Seit ich angefangen habe die politischen Entscheidungen und Maßnahmen während der Corona-Krise zu hinterfragen, schreibe ich nicht nur diesen Blog, sondern lese auch jeden Tag mehrere Zeitungsartikel und schaue mir Videos und Online-Beiträge an. Einige dieser Videos und Artikel teile ich auch auf Facebook und Instagram, stelle sie in meinen Status bei WhatsApp oder leite sie an Freunde weiter.

Manchmal bekomme ich positive Rückmeldungen, doch oft erfolgt überhaupt keine Resonanz. Für meine Blog-Artikel habe ich von einigen Menschen viel Lob und wertschätzende Worte bekommen, über die ich mich sehr gefreut habe und für die ich mich an dieser Stelle auch nochmal ganz herzlich bedanken möchte. Außerdem freut es mich, dass der Blog bis zum jetzigen Zeitpunkt schon 605 Mal aufgerufen wurde und über 200 Besucher angelockt hat. Auch dafür möchte ich mich hiermit bedanken.

Natürlich habe ich erwartet auch Kritik zu erhalten. Die ersten kritischen Stimmen trafen schon nach der Veröffentlichung meines ersten Artikels ein, und mittlerweile kommt die Kritik inklusive wohlgemeinter Ratschläge auch über WhatsApp. Diese bezieht sich jedoch weniger auf meinen Blog sondern eher auf die Artikel und Videos, die ich poste und weiterleite. Diese „Kritik“ bleibt interessanterweise immer dieselbe, egal ob sie von losen Bekannten oder engen Freunden kommt und wird gerne auch als Frage formuliert: Gehörst du jetzt zur rechten Ecke? Wählst du jetzt auch die AfD? Hoffentlich bist du nicht auch noch Impfgegner! Das sind alles Verschwörungstheorien! Hör auf rumzuheulen! Und pass auf, was du postest, sonst könnte jemand, der dich nicht kennt, ein falsches Bild von dir bekommen!

Mein Mann hatte schon prophezeit, dass das geschehen würde, noch bevor ich den ersten Artikel fertiggestellt hatte, daher rechnete ich gewissermaßen damit. Womit ich jedoch nicht gerechnet hatte, war, wie schnell das passieren würde. Frei nach dem Motto: Wie, du hast eine andere Meinung? Du bist gegen die Lockdown-Maßnahmen?!?! Das ist sowas von asozial von dir! Wie kann man nur so unsolidarisch sein?! Du bist eine Rechte/AfD-Wählerin/Reichsbürgerin/Impfgegnerin Verschwörungstheoretikerin/einfach nur dumm.

Kaum äußere ich mich kritisch zu den Lockdown-Maßnahmen, hinterfrage deren Sinn und Verhältnismäßigkeit und weise auf die schweren Folgen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, gesundheitlichen und seelischen Schäden hin, die wir alle dadurch erleiden, lande ich auch schon in einer der oben genannten Schubladen. Jede weitere Diskussion scheint zwecklos. Meine Argumente gelten nicht, Statistiken, die meine These stützen zählen nicht und Meinungen von Experten, die ich anführe, interessieren nicht. Artikel, die ich weiterschicke, werden nicht gelesen, weil die jeweilige Zeitung zu populistisch/rechts/links/wie auch immer ist, Videos werden nicht gesehen und wenn, dann zählt nicht ihr Inhalt, sondern die Herkunft.

Kürzlich habe ich ein Video auf Facebook geteilt, das mir ebenfalls weitergeleitet wurde, in der eine Frau von vier Polizeibeamten, überwältigt, auf den Boden gedrückt und abgeführt wird, weil sie 20 Zentimeter zu wenig Sicherheitsabstand eingehalten hat. Das Video entstand vor ein paar Tagen in der Dortmunder Fußgängerzone und ist meiner Ansicht nach ein gutes Beispiel für die Unverhältnismäßigkeit der sogenannten „Schutz“-Maßnahmen.

Ich war darüber entsetzt und aufgebracht von dieser Art der Behandlung und habe einen dementsprechenden Kommentar darunter geschrieben. Zurück kamen interessanterweise neben einer Menge Desinteresse und Sprüchen wie „Iss halt so!“ und „Kommt davon, wenn man sich nicht an die Auflagen hält“, auch einige aufgebrachte Stimmen, die wissen wollten, ob ich mal geschaut hätte, wer das Video gepostet hat? Das wäre nämlich eine total rechte Seite, die dafür bekannt ist, dass sich dort Nazis und AfDler tummeln. Ob ich jetzt auch zur rechten Szene gehöre?

Die Wahrheit ist: Da ich das Video selbst weitergeleitet bekommen habe, hab ich nicht darauf geachtet, wer es gepostet hat. Und selbst wenn ich darauf geachtet hätte, hätte mir der Name der Seite bzw. Gruppe nichts gesagt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich mich in der rechten Szene nicht gut auskenne und in meinem bisherigen Leben auch insgesamt relativ unpoltisch gewesen bin.

Die Corona-Krise und die damit einhergehenden Entscheidungen der Regierung bewegen mich aber nicht nur zu politischem Aktivismus, sondern auch dazu, mir einige Fragen zu stellen, die ich mir nie zuvor in meinem Leben gestellt habe. Das ist tatsächlich etwas Positives, was ich aus dieser Krise mitnehme und ich kann nur jedem ans Herz legen, es auch mal zu versuchen. Eine Frage, die ich mir zum Beispiel stelle, lautet: Wie kann es sein, dass einige Leute mich aufgrund der Herkunft eines Videos (und nicht aufgrund des Inhalts!) als Nazi oder AfDlerin denunzieren, wenn das doch genau das ist, was die von ihnen abgelehnte ideologische Strömung auch tut: Menschen aufgrund der Herkunft denunzieren.

Mir persönlich ist der Inhalt wichtiger als die Herkunft, das gilt für Videos genauso wie für Menschen. Auch wenn ich in meinem Psychologie-Studium gelernt habe, dass die Überprüfung von Quellen für wissenschaftliches Arbeiten elementar ist, so habe ich dort auch gelernt, dass es zu einer These immer auch eine Anti-These geben sollte. Und das ist etwas, dass ich im Umgang mit der Corona-Krise vermisse, da die Anti-These von unseren Politikern und weiten Teilen der Bevölkerung offenbar leider vergessen wird.

Ist es also okay, Inhalte von rechten Seiten zu teilen, wenn der Inhalt mir wichtig und richtig erscheint?, frage ich mich und philosophiere darüber, bis mein Mann einen, wie ich finde, sehr weisen Satz fallen lässt: „ Wahrheit ist nicht deswegen weniger wahr, weil sie von den Falschen ausgesprochen wird.“ Ich staune nicht schlecht und denke seitdem wieder und wieder über diesen Satz nach, bis ich zu dem Schluss komme, dass er auch für mich stimmig ist. Mit einer kleinen Änderung. Ich würde sagen: Die Wahrheit ist nicht deswegen weniger wahr, weil sie von Menschen gesagt wird, deren politische, religiöse oder kulturelle Hintergründe ich ablehne.

Wenn sich zum Beispiel ein Katholik vor mich hinstellt und sagt, die Taufe ist eines der heiligen Sakramente im Christentum, dann ist das ja nicht weniger wahr, nur weil ich Buddhistin bin und nicht viel von der katholischen Kirche halte, oder? Und wenn sich nun ein Rechter hinstellt und sagt: Wir bauen in unserer Demokratie auf ein Grundgesetz, gegen das verstoßen wird, wenn eine Frau mit massiver Polzeigewalt abgeführt wird, weil sie zu nah an ihrer Freundin stand, stimmt das dann nicht? Ist das dann eine Lüge, nur weil es jemand sagt, dessen politische Ansichten ich nicht teile?

Wenn es doch nur so einfach wäre, ich denke allerdings nicht, dass wir es uns so leicht machen können. Ich liebe meine Freunde und meine Familie, und trotzdem teile ich bei vielen von ihnen ihre politischen Ansichten nicht. Was heißt das jetzt? Ich denke, wir könnten damit beginnen alles ein bisschen differenzierter zu betrachten. Jemandem nicht sofort einen Stempel aufzudrücken, weil er etwas postet oder in seinem Blog schreibt, was einem nicht gefällt, könnte helfen.

Außerdem könnte es helfen – und das ist auch für mich momentan eine tägliche Mammutaufgabe – die Meinung des anderen zu akzeptieren. Ich muss sie ja nicht teilen, ich muss sie auch nicht verstehen, aber vielleicht kann ich sie einfach stehen lassen. Neben meiner eigenen. In einer Art respektvollen Koexistenz. Das fällt schwer, das merke ich jedes Mal, wenn ich wieder anfange irgendjemanden von meiner Sicht der Dinge überzeugen zu wollen oder wenn meine Finger über dem Handy zucken, und ich mich mit aller Kraft zurückhalten muss, um nicht wieder ein Dutzend Videos weiterzuleiten, die zum Nach- und Umdenken anregen sollen.

Doch ich denke, es führt kein Weg daran vorbei. Es führt kein Weg daran vorbei, dass wir aufhören uns gegenseitig zu denunzieren und anfangen eine Koexistenz der unterschiedlichen Meinungen zuzulassen. Vielleicht können wir dann sogar irgendwann in einen Dialog miteinander treten. Ich denke, wir haben keine andere Wahl, denn sonst verlassen wir diese Krise nicht nur mit einer massiv geschädigten Wirtschaft und vielen verängstigten und verzweifelten Menschen sondern auch als eine gespaltene Gesellschaft.

Ein Kommentar zu “Eine gespaltene Gesellschaft – Von der Suche nach der Wahrheit

  1. Ich finde diesen Beitrag sehr schön und er trifft (leider) genau zu. Obwohl ich sagen muß, daß in meinem Umfeld, die Menschen eher so denken, wie ich (und Du :-). Viele hinterfragen die verhältnismäßigkeit usw. Und man muß sich auch wundern wie schnell „nicht passende“ Vidoes wieder gelöscht werden. Soviel zu Meinungsfreiheit. Auch ich habe schon von so einigen unverhältnismäßigen Eingriffen der Polizei mitbekommen. Und mir stößt das auch ganz gewaltig auf. Es ist mir auch total schleierhaft, warum man als rechts oder sonstwie eingestuft wird, nur weil man mal selbst nachdenkt oder anderer Meinung ist. Also laß` Dir nichts erzählen und frage weiterhin nach und bilde Dir Deine eigene Meinung. Das zeugt dann weingstens von Charakter und nicht von Mitläufertum. Das ist doch viel mehr Wert!!! 🙂

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