Aus den Trümmern unserer Verzweiflung bauen wir unseren Charakter.
Ralph Waldo Emerson
Kennen Sie die Geschichte vom Frosch, der im Wasser sitzen bleibt, wenn man es in einem Topf langsam zum Kochen bringt, weil er die Temperaturveränderung nicht spürt?
Dieser Tage fühle ich mich immer wieder an diese Geschichte erinnert, wenn ich mir die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen seit Beginn der Corona-Krise in der Retrospektive ansehe und die Regierungs-Maßnahmen im März & April mit heute vergleiche:
War es im ersten „harten“ Lockdown Ende März noch erlaubt ohne Maske im Supermarkt und in der Apotheke einzukaufen, so muss ich mir nun im „Lockdown light“ schon auf dem Parkplatz vor dem Geschäft den Schnutenpulli überstülpen und froh sein, wenn ich nicht bei 3° im Regen Schlange stehen muss wie vor einem angesagten Club um Nudeln und Klopapier zu kaufen.
Seit Ende April durften Kinder und Jugendliche nach Wiedereröffnung der Schulen diese teilweise ohne Maske betreten, zumindest aber dem Unterricht ohne aufdiktierte Empathiesperre beiwohnen. Inzwischen sind maskenfreie Zeiten und Jahrgänge in Schulen eine Seltenheit und viele Kinder tragen bei den – Dank des vorbildlichen Dauer-Lüftens mancher fürsorglicher Lehrkraft – in einigen Klassenräumen vorherrschenden 15 Grad Celsius gerne gleich mehrere Jacken übereinander. Alles im Namen der Gesundheit.
Im Wonnemonat Mai durfte ich in Restaurants gehen und mich mit mehr als einem anderen Haushalt treffen. Vom Auswärtsessen wage ich inzwischen nicht mal mehr zu träumen, wenn ich die vielen leerstehenden Gastronomien sehe, die vielleicht nie wieder öffnen werden… Der Foodcourt in der Hamburger Meile sieht aus wie eine zum Denkmal stilisierte Kapitalismus-Ruine: Von ehemals zehn gastronomischen Take-Away-Läden, sind nur noch drei in Betrieb, der Rest steht leer¹. Der Ticket-Shop des Hamburger Abendblatt hat buchstäblich „keine Ware mehr im Regal“ und erinnert damit nicht nur an die Klopapier-Regale in Merkel Deutschland 2020, sondern auch an die Bananenauslage in Ostdeutschland vor 1989. Fraglich ob Frau Merkel hier einfach nur aus nostalgischen Gründen etwas wiederbeleben möchte, oder ob dieses Sozialexperiment einem höheren Zweck dienen soll?! Mir kommen bei dem Gedanken an das qualvolle Sterben der Kunst- und Kulturbranche jedenfalls die Tränen.


In meinem Fitnessstudio durfte ich mich seit der Wiedereröffnung unter Corona-Bedingungen Anfang Juni anfangs gänzlich ohne Maske bewegen, seit Anfang Oktober herrschte im Foyer und den Umkleidekabinen Maskenzwang und zwei Wochen später musste ich mir selbst während des Ausdauer- und Krafttrainings einen Schweißfänger über Mund und Nase „kleben“. Der gesundheitliche Sinn und Mehrwert einer solchen Maßnahme sei dahingestellt, aber immerhin waren die Sport- und Fitnesscenter zu diesen Zeitpunkt noch geöffnet.
Im August und September durfte ich noch das Land verlassen, um mich der Illusion der Bewegungsfreiheit hingeben zu können, um im Oktober darauf aufmerksam gemacht zu werden, dass ich jetzt nicht mal mehr in einige Bundesländer einreisen darf und wenn doch dann bitte nicht zu touristischen Zwecken und am besten nehme ich zur Sicherheit ein Zelt mit, sollte es ein Beherbungsverbot für Hotels geben.
Im November schließlich sehe ich auf der Straße mehr und mehr maskierte Menschen – und dass selbst an nicht öffentlichen Plätzen, an ungeraden Tagen und vor geraden Hausnummern und weiß inzwischen nicht mehr, ob mich ein Passant überfallen oder nach dem Weg fragen möchte. Anscheinend tragen nun auch die Menschen, die im März und April noch ohne Mund-Nasen-Schutz im Supermarkt waren und die über die maskierten Angsthasen in freier Wildbahn den Kopf geschüttelt haben, einen Virenschutz. Dabei schützt das Häkeldeckchen vorm Mund wohl die meisten eher vor Bußgeld als vor Viren.
Ich frage mich, was der Dezember wohl noch für uns alle bringen mag. So wie es aussieht bekommen wir ja einen Freifahrtsschein fürs Fest für bis zu zehn Personen. Hurra, na dann können wir ja in drei Tagen alles nachholen, was wir in zehn Monaten verpasst haben. Bin mal gespannt wie lange es dauert, bis die Schulen und der Einzelhandel wieder komplett geschlossen werden, d.h. wenn die Bildung und die Wirtschaft nicht bis dahin ohnehin gestorben sind – wie der Frosch im heißen Wasser.
Dass der Frosch beim langsamen Erhitzen im Kochtopf nicht aus dem Wasser springt, ist übrigens ein Mythos. Das gilt nur für deutsche Frösche.
Ein Kommentar zu “Der deutsche Frosch in Merkels Topf”